Ein Ort Namens Schuy

Einen erheblichen Zuwachs an Gelände erhielt Obertiefenbach durch die Angliederung der Gemarkung des ehemaligen Dorfes Schuy, in Urkunden auch Schoe, Schue, Schuwen genannt. Es darf wohl als Tochtersiedlung von Schupbach angesehen werden, zumal auch die nahe Verwandtschaft der beiden Ortsnamen darauf hinweist, ja in Urkunden von 1531 Schupbach als Schoepach bezeichnet wird. Keine Nachricht vermochte bis jetzt den Zeitpunkt der Entstehung Schuys aufzuhellen. Da die Lebensmöglichkeiten für die Schoer Siedler wesentlich ungünstiger gelagert waren, als bei den zunächstliegenden Orten, darf man annehmen, daß Schuy in weit jüngerer Zeit als Obertiefenbach entstanden ist. Im Gegensatz zu den Vorzügen der Urgemarkung unseres Heimatdorfes zeigt das Bild der Schuyer Feldmark ein schwieriger zu bebauendes Gelände und als Bodendecke ein Verwitterungsprodukt von Basalten, die das Wasser nur wenig und nur langsam an die darunterliegenden Schichten von Basalt und Ton abgibt. Die Ackerkrume ist daher kaltgründig und träge, bringt aber in trockenen Jahren immerhin noch ergiebige Ernten.

Für eine genaue Feststellung der ehemaligen Siedlungsstätte fehlen zuverlässige Quellen. Auf den im Staatsarchiv Wiesbaden liegenden Zehntberechtigungskarten der Gemarkung Schuy befindet sich im Bereiche der heutigen Bornwiese eine größere zehntfreie Stelle, die den Sitz des ehemaligen Dorfes Schuy darstellen soll. Abgabepflichtig für diese Fläche war nur ein Hahnengeld von 4 fl, ursprünglich wohl Hahnen in Natura, was ebenfalls auf früher bewohnten Raum hinweist. Wie dem Chronisten von Anliegern dortiger Wiesenteile mitgeteilt wurde, haben Wasser-massen des in einem stärkeren Gefälle dort vorbeiziehenden Baches am Ufer größere Steine freigelegt und aus Bauschutt bestehendes Gerolle von dort fortgeführt. Für die Annahme als Siedlungsort spricht auch die Nähe der Flur Holzbitz, wo nach alter Überlieferung die Toten von Schuy beigesetzt worden seien. Nur eine kleine Gemeinschaft dürfte es gewesen sein, die sich hier ein Heim errichtet hatte auf einer Fläche, die nach einer späteren Meldung etwa 16 Gebäude umfaßt habe. Über den Umfang des Dorfes Schuy auch folgende Nachricht. Gelegentlich einer Auseinandersetzung 1775 zwischen den Herren von Runkel mit dem Stifte Dietkirchen um den Zehnten vom Erdbeerenberg wurde auch nach der Zehntpflicht von Schuy geforscht. Darüber sagt der runklische Hofkeller: In dem sog. Hosterfeld - Hostert Haustelle, ein der Aufbewahrung und Bearbeitung des Brenn- und Bauholzes dienender Platz in nächster Nähe eines Dorfes - wo vor Zeiten das Dorf Schuy gestanden, liegen ungefähr 10 Morgen Land wovon keine Zehnten, sondern 4 Gulden Hahnengeld alljährlich gegeben wird. Er nimmt an, daß diese 10 Morgen Gärten und Bauplätze gewesen seien.

 Möglich, daß in dem unteren Schoer Wiesengrund noch eine oder die andere Hofraite entstanden war, und wenn ferner in einem Zinsregister des Klosters Beselich auch Zehntland in Niederschuwe genannt wird, so reden doch alle anderen Quellen nur von dem Dorfe Schuy, so daß Niederschuy nur als Gemarkungsteil aufzufassen ist.

Von den Lebensverhältnissen in dem kleinen Dorfe und seiner wirtschaftlichen Entwicklung erfahren wir außer einigen Besitzveränderungen und Zehntberechtigungen nichts. Ein hohes Alter war dieser Siedlung nicht beschieden. Wann und aus welchem Grunde es mit ihr zu Ende ging, wissen wir ebensowenig. Nach einer späteren Meldung waren ihre letzten Bewohner nach Obertiefenbach gewandert, wodurch die Gemarkung Schuy unserem Dorfe zugefallen ist. Ob Seuchen oder wirtschaftliche Ursachen zur Wüstwerdung führten, steht dahin. Die vom Jahre 1489 uns noch verbliebenen Zusammenstellungen von Flurbezirken mit den eingestreuten Parzellen des Grobengutes erwecken ganz den Eindruck, daß diese zu einer einzigen Gemarkung gehörten. Außerdem ist zu beachten, daß die im Grobengut genannte Flur Schuer Grund, die unzweifelhaft in der Gemarkung des ehemaligen Dorfes Schuy lag, zur Zeit dessen Bestehens doch einen anderen Namen hatte, da eine Gemeinde niemals einen Gemarkungsteil nach dem eigenen Ortsnamen benennt.

Die Wüstung Schuy muß somit aus kurzer oder längerer Zeit vor dem Jahre 1489 datieren, aber nicht aus der Zeit des 30-jährigen Krieges, wie dies bisher in Obertiefenbach angenommen wurde.

Dreiviertel des Zehnten der Gemarkung Schuy gehörte im 16. Jahrhundert dem Grafen von Wied-Runkel, der ihm durch einen erzwungenen Tausch dem Kloster Beselich überließ. 1652 wurde die Jesuitenresidenz zu Hadamar Inhaber dieses Zehnten. Zehn Jahre später kaufte diese auch das letzte Viertel der Schuyer Einkünfte von den Erben der Junker von Waldmannshausen. Der Umfang dieses Gesamtzehnten war aber seit längerer Zeit Gegenstand von Differenzen zwischen Runkel und dem Kloster Beselich einerseits und dem Lubentiusstifte Dietkirchen andererseits, das zehntberechtigt in der Gemarkung Obertiefenbach war. In der langen Zeit, da beide Gemarkungen vereinigt waren, hatte sich mehr und mehr eine Unklarheit über die ursprünglichen Grenzen eingestellt. Beide Zehntherren einigten sich endlich, legten die mutmaßliche Grenze fest und ließen sie in Anwesenheit von beiderseits Beauftragten am 4. Mai 1612 an 9 Stellen absteinen. Nach dem Zehntenausgang vom Jahre 1701 standen die Grenzsteine wie folgt:

1. Stein am Beselicher Holz, am Waldeck

2. Stein bei der Atzelheck auf der Umwand am Herrenhof

3. Stein jenseits des Merenberger Weges

4. Stein nicht weit davon, zwischen dem Merenberger Weg und dem Schüerpfad

5. Stein im Schüer Pfad

6. Stein hinterm Rübenacker

7. Stein am Gaulstück in der obersten Forch

8. Stein auf dem Gaul, auf der Anwandt der Jesuitenäcker.

Der 9. Stein wurde nicht gefunden, aber nach beiderseitigem Gutdünken im Jahre 1706 neu gesetzt. Nach heutigen Begriffen möge diese Grenze etwa mit folgenden Namen gekennzeichnet sein: Ecke Beselicher Wald am Steinkauter Weg - Eichweg - Wasserkammer - Graben unterhalb des Weges zum Herrenwasen - Fortsetzung oberhalb des Uhlkauterwegs in ziemlich gerader Richtung nach dem Straßenwasen. So blieb diese Grenze bis zur Ablösung des Zehnten in den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts.

(Aus: "Zur Geschichte des Dorfes Obertiefenbach"

von Georg Wagner, 1954)

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